Schöner scheitern durch kollektives Schweigen

Darum geht's: Fundraising, Teamarbeit, Teamcoaching, Berufsalltag, psychische Erkrankung
Aus Fehlern kann man lernen, dafür muss man sie nicht alle selber machen! Das Fundraiser-Magazin stellt in der Serie „Schöner scheitern“ kleine und große Fehler von Fundraising-Aktionen vor. Dass die Probleme einer einzelnen Kollegin ein ganzes Team in Mitleidenschaft ziehen können, zeigt die folgende Situation. Der Autor will dabei lieber anonym bleiben.
Sieben Jahre habe ich für eine Hilfsorganisation gearbeitet. Sieben Jahre haben meine Kollegen und ich zu einem schwerwiegenden Problem geschwiegen. Im Nachhinein frage ich mich, warum? Was war geschehen?
Der Reihe nach: Kurz nach mir kam eine Frau zum Team, deren Verhalten mir auffiel. Sie konnte ihre Impulse und Gefühle nur schwer kontrollieren, war ständig unter Anspannung und verhielt sich aggressiv. Menschen wurden entweder idealisiert oder herabgewürdigt. Das Team machte diese Achterbahn mit. Sitzungen mit ihr waren anstrengend und quälend.
Persönliche Folgen
Doch niemand griff ein und keiner hat das Thema öffentlich angesprochen. Hilfe beim Vorgesetzten oder Betriebsrat wurde nicht gesucht. Die Leitung schien in dieser Sache blind. Immer hat sich im Team jemand gefunden, der sich zeitweise um die Kollegin „gekümmert“ hat, damit die Situation nicht eskaliert. Auch ich hatte diese Rolle inne und habe versucht, zuzuhören und beruhigend auf sie einzuwirken. Die Folgen für mich waren verheerend, da ich eine Weile gebraucht habe, um mich aus der Welt der Kollegin zu lösen und wieder zu meinem eigenen Urteilsvermögen zurückzufinden. Bei einem Teamcoaching murmelte die Coachin verzweifelt vor sich hin: „Was ist hier eigentlich los?“ Keiner antwortete. Eine Mauer des Schweigens umgab die psychische Erkrankung der Kollegin.
Probleme sofort ansprechen
Kurz danach habe ich gekündigt. Bis heute frage ich mich, an welcher Stelle ich hätte intervenieren sollen. Ein Polizist hat mir in einem Sicherheitstraining gesagt: „Sobald Sie in einer Situation mit einem Menschen ein ungutes Gefühl haben, machen Sie es öffentlich und sprechen Sie es an.“ Ich nehme mir das zu Herzen – zu meinem Schutz und dem der anderen.
Foto: Pixabay/stevepb
Der Artikel ist in der Ausgabe 1/2019 des Fundraiser-Magazins erschienen.
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