Führen und motivieren: Wie Organisationen Ehrenamtliche fördern
Darum geht's: Ehrenamt, freiwilliges Engagement, NPO, Freiwilligenmanagement
Auf freiwillige Helfer können viele Vereine und Initiativen nicht verzichten: Ehrenamtliche packen aus Überzeugung mit an – und das ganz ohne Bezahlung. Doch die Motivation fürs Ehrenamt geht schnell flöten, wenn die Organisation die Freiwilligen nicht einbezieht. Dabei geht es um Personalpolitik, professionelle Strukturen und das Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen.
Warum übernehmen Menschen ein Ehrenamt? Die Gründe dafür sind vielfältig. Nur wer sie kennt, kann das Engagement optimal fördern. „Anders als Hauptamtliche suchen sich Freiwillige verstärkt Aufgaben, die ihnen Spaß machen und die sie sinnvoll finden“, erklärt die selbstständige Organisationsberaterin Irene Sachse. An der NPO-Akademie in Wien bietet sie den Lehrgang „Professionelles Freiwilligenmanagement“ an. Non-Profit-Organisationen (NPOs) lernen dort, wie sie die Arbeit mit Ehrenamtlichen besser strukturieren können. Für viele Ehrenamtliche sei der soziale Aspekt wichtig, erläutert Sachse, also „unter Leute zu kommen“. Auch mit Blick auf die Arbeitsmoral würden sich freiwillige Helfer von bezahlten Mitarbeitern unterscheiden: „Freiwillige bleiben häufiger einfach mal weg, wenn sie etwa keine Zeit mehr für das Ehrenamt finden.“
Ehrenamt mit Zusatznutzen
Organisationen haben zwei Wege, mit diesem Problem umzugehen: immer neue Freiwillige rekrutieren oder die Aktiven an sich binden. Wie das geht? Ohne Gehalt und Arbeitsvertrag zählt allein die persönliche Motivation. „Das Österreichische Rote Kreuz vergibt zum Beispiel Auszeichnungen, führt Ehrungen durch und motiviert durch den Aufstieg in der Hierarchie der Ehrenamtlichen.“ Wenn das Ehrenamt noch einen Zusatznutzen bietet, wirkt sich das ebenfalls positiv auf die Motivation aus: Etwa weil ein Helfer dabei die Ausbildung zum Rettungssanitäter absolvieren kann. „Vieles spielt sich auch auf der persönlichen Ebene ab“, weiß die Expertin. Wichtig für das Zugehörigkeitsgefühl sind deshalb auch Glückwünsche zum Geburtstag oder Genesungswünsche bei einer Krankheit.
„Das Schlimmste ist, wenn Mitglieder das Gefühl haben, ihr Engagement sei nicht erwünscht“, weiß Christian H. Schuster, Geschäftsführer von ADVERB, der Agentur für Verbandskommunikation in Berlin. Vor allem neue Mitglieder wollen oft kein Ehrenamt auf Dauer, sondern sich zunächst bei einem konkreten Projekt einbringen. Starre Verbandsstrukturen wirken da oft abschreckend. Fatal sind auch Sprüche wie: „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Oder: „Das ging bisher auch ohne.“ Dann sind die Neuen oft schon nach kurzer Zeit wieder weg.
Freiwillige sind keine Bittsteller
Die Geschäftsstelle sollte immer der erste Ansprechpartner für Ehrenamtliche sein und diese unkompliziert unterstützen. „Viele Vereine leben vom Ehrenamt, da dürfen Engagierte nicht wie Bittsteller behandelt werden“, warnt Schuster. Wenn die Geschäftsstelle nur an einem Nachmittag in der Woche telefonisch zu erreichen ist, reicht das nicht aus. Anfragen sollten die Hauptamtlichen immer rasch und unkompliziert beantworten – auch wenn sie per Mail oder Facebook kommen. Lediglich auf die Homepage zu verweisen, reicht da nicht aus.
Wer unbezahlt arbeitet, darf erwarten, dass seine Arbeit auch gewürdigt wird. „Man kann es auch mal den Ehrenamtlichen überlassen, Medienanfragen zu beantworten“, rät Schuster. Schließlich muss nicht immer der Geschäftsführer das Interview geben. Auch das ist eine Form öffentlicher Anerkennung. Gut für die Motivation ist auch, wenn Ehrenamtliche selbst Entscheidungen treffen dürfen. „Freiwillige fühlen sich geschätzt, wenn sie einen eigenen Verantwortungsbereich haben“, sagt Organisationsberaterin Sachse.
Verantwortung an Ehrenamtliche abzugeben, fällt vielen Hauptamtlichen jedoch schwer. Schlimmstenfalls führt das zu Konflikten zwischen beiden Gruppen, berichtet Sachse: „Es gibt häufig Streit um die Frage: Wer macht die Arbeit besser?“ Schließlich sind viele Freiwillige auch eine Art Konkurrenz für die Festangestellten, die ihr Gehalt rechtfertigen müssen. „Organisationen, die das gut machen, trennen deshalb beide Aufgabenbereiche und legen klar fest: Was ist Ehrenamt und was bezahlte Tätigkeit?“
Ein Koordinator fürs Ehrenamt
Wenn eine Organisation viel mit ehrenamtlichen Helfern arbeitet, lohnt sich außerdem der Aufbau professioneller Strukturen für das Freiwilligenmanagement. „Eine Möglichkeit besteht darin, einen Freiwilligenkoordinator einzusetzen, der sich speziell um die Belange Ehrenamtlicher kümmert“, weiß Sachse. Eine andere Form der Professionalisierung ist der Einsatz betriebswirtschaftlicher Methoden: eine aktive Personalpolitik etwa oder Instrumente wie Evaluation und Qualitätsmanagement.
„Hauptamtliche wollen oft nur hören, dass sie bereits alles richtig machen“, berichtet Agenturchef Schuster. Auch deshalb rät er den Vorständen, regelmäßig sowohl die Mitglieder des Vereins als auch die Freiwilligen zu befragen. Was sind eure Bedürfnisse? Was erwartet ihr vom Verband? „Eine Mitgliederbefragung ist das größte Geschenk, das ein scheidender Vorstandsvorsitzender an seinen Nachfolger machen kann.“ Oft gibt so eine Umfrage den entscheidenden Anstoß, das Angebot des Vereins zu verändern oder alte Strukturen zu überdenken.
Text: Peter Neitzsch
Foto: Sergey Nivens/AdobeStock
Der Artikel ist in der Ausgabe 4/2017 des Fundraiser-Magazins erschienen.
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