„Das geht über die Jahre gesehen natürlich in die Millionen.“

Christian Hosmann; SOS Kinderdorf Schweiz

Christian Hosmann ist Geschäftsführer der Stiftung SOS-Kinderdörfer in der Schweiz. Früher hatte die Stiftung noch individuelle Kinderpatenschaften für Spender angeboten. Um allerdings weiter das Spendensiegel der Stiftung ZEWO tragen zu dürfen, hat sich der Stiftungsrat entschieden das Instrument abzuschaffen. Im Interview mit unserem Autor Paul Stadelhofer erklärt Hosmann warum diese Entscheidung gefällt wurde, was das für die Strategie der SOS-Kinderdörfer in der Schweiz bedeutet und warum es manchmal besser ist, Verluste an Spendeneinnahmen zu akzeptieren.

Wie viele Patenschaften führen die SOS-Kinderdörfer derzeit noch in der Schweiz?

Im Moment sind es noch rund 1400 Einzelkindpaten, die wir führen. Diese Patenschaften laufen in den kommenden Jahren aus, da die von uns betreuten Kinder in ein Alter kommen, in dem sie das Dorf verlassen und selbständig leben können. Jährlich sprechen wir von ca. 300 Kindern.

Wir führen derzeit auch 4400 Kinderdorfpatenschaften. Durch sie wurden die Einzelkindpatenschaften ersetzt. Der Betrag für eine solche Patenschaft beläuft sich auf 720 Franken im Jahr. Seit 2012 führen wir zusätzlich Länderpaten. Da sind es derzeit 400 Paten, die 360 Franken pro Jahr spenden.

Was halten Sie von den Bedenken der Stiftung ZEWO gegenüber den Einzelkindpatenschaften?

Die ZEWO ist bei Patenschaften streng und führt zu Recht ethisch-moralische Bedenken an. Es kommt beispielsweise vor, dass ein Pate engen Kontakt zu einem Kind aufgebaut hat und diesen weiterführen möchte. Das Kind fühlt sich dazu genötigt, da erwartet wird, dass es seine Dankbarkeit zeigt. Zum Teil wollen Paten die Kinder auch besuchen oder in die Schweiz einladen. Dabei kann eine Abhängigkeit entstehen, die manchmal zu schwierigen Situationen führt.Dies löst administrative Zusatzverpflichtungen und allgemeine Reputationsrisiken aus, auf die wir verzichten.

Eine Einzelkindpatenschaft ist sicher das attraktivste Produkt, bringt aber auch den höchsten administrativen Aufwand sich. Insgesamt teile ich die Haltung der Zewo.

Wie hat sich der Verzicht auf Einzelkindpatenschaften auf Ihre gesammelten Spenden und den Anteil an Geldern aus Patenschaften ausgewirkt? Finden Sie ebenso viele Projekt- oder Länderpaten wie zuvor Einzelkindpaten?

Der Rückgang war ganz klar zu beobachten. Als wir die Einzelkindpatenschaften eingestellt hatten sind andere Hilfswerke in den Markt eingetreten. Einige haben unsere Lücke gefüllt, dadurch massiv Einnahmen mit Einzelkindpatenschaften generiert und dafür auf das ZEWO-Siegel verzichtet. Rein monetär gesehen haben diese Organisationen einen guten Fang gemacht und wir haben das Potential nicht ausgeschöpft.

Dies in konkreten Zahlen zu fassen ist aber schwer. Wir können nur sagen, dass bei uns die Einzelkindpatenschaften abgenommen haben und das geht über die Jahre gesehen natürlich in die Millionen.

Wie steht SOS-Kinderdorf International zu Einzelkindpatenschaften?

SOS-Kinderdorf International lässt den verschiedenen Fördervereinen offen, ob sie Einzelkindpatenschaften anbieten wollen. Wir in der Schweiz müssen uns letztlich dem Zewo-Reglement fügen, haben aber auch gelernt damit zu leben. Als Stiftung unterstützen wir die Idee, dass so wenig Abhängigkeiten wie möglich geschaffen werden sollen und dass dem Spender gegenüber so transparent als möglich kommuniziert werden soll, ohne in die Privatsphäre des einzelnen Kindes einzugreifen. Der Verzicht auf die Einzelkindpatenschaften hat aber verhindert, dass wir ein starkes Wachstum aufweisen konnten. Wir sind damit also auch nicht ganz glücklich, haben uns aber auch aus marktstrategischen Überlegungen entschieden, die Einzelkindpatenschaften aufzugeben.

Welche Überlegungen waren das?

Die Potentiale im Patenschaftsmarkt sind ausgeschöpft, das hat sich bereits vor Jahren abgezeichnet. Und wenn man erfolgreich öffentliche Gelder, private Großspenden oder Unternehmensspenden generieren will, muss man das Zewo-Gütesiegel in der Regel vorweisen können. Langfristig gesehen machte dieser Entscheid demnach Sinn.

Was denken Sie, hält der normale Spender von dem Entscheid für das Siegel?

Für den Kleinspender hat es vielleicht auch eine Bedeutung, da das Siegel immerhin circa der Hälfte der Spendenden bekannt ist. Wie viele Kleinspender sich aber tatsächlich daran orientieren, wenn sie eine Spende tätigen, kann ich nicht beurteilen.

Und wie steht es im Vergleich zu den anderen Organisationen?

Innerhalb von SOS-Kinderdorf International konnten einige Fördervereine in den vergangenen Jahren aufgrund der Einzelkindpatenschaften gegenüber anderen Hilfswerken massiv wachsen, wir jedoch nicht. Das ist ärgerlich. Die Gründe der ZEWO sind zum größten Teil ethisch-moralischer Natur. Für mich ist es seltsam wenn die Schweiz stärker moralisiert als andere Länder. Persönlich finde ich, dass man in dieser Frage an einem zumindest europaweit geltenden Gütesiegel-Standard arbeiten müsste. Dennoch stehe ich zum Entscheid, Einzelkindpatenschaften nicht mehr zu führen. Entsprechend haben wir auch unsere Strategie angepasst.

Es gibt ja auch Patenschaftsmodelle, bei denen kein Kontakt zum Kind besteht und bei denen Projekte finanziert werden. Wäre das keine Alternative?

Wir sagen uns: Ehrlich währt am längsten. Wenn man Patenschaften über Einzelkinder anbietet, kann man die Gelder nicht nutzen, um eine ganze Gemeinschaft zu finanzieren, da werden Paten schlicht angelogen. Ich sehe in der Schweiz sowieso die Tendenz, mit Scheinzweckbindungen zu vermischen. Man weiß, dass Einzelpatenschaften am attraktivsten sind, dies wird dann mit Projektpatenschaften verwoben. Das ist auch gegenüber dem Kind und dem Spendenden nicht unproblematisch. Das Kind weiß nämlich häufig gar nichts von seiner Stellvertreterfunktion und der Spendende ist unsicher ob sein Geld wirklich beim Kind ankommt. Hierzu gab es in der Schweiz bereits genügend kritische Berichterstattungen, die dazu führen können, dass das Vertrauen in Hilfswerke insgesamt abnimmt, was mich oft ärgert.

Aus diesem Grund bieten wir Modelle an, bei denen wir wissen, dass die Gelder nachverfolgbar so verwendet werden, wie wir es kommunizieren und dass das Kind den maximalen Schutz in Bezug auf seine Privatsphäre geniesst.

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