Kampagnen, Gänsehaut, Kostüme – das war der IFC 2017

Darum geht’s: Fundraising, Kongress, IFC 2017, Weiterbildung, Workshops

Holger Menze ist Fundraiser mit Leib und Seele und lässt kaum eine Möglichkeit aus, sich bei Seminaren, Symposien und Kongressen weiterzubilden. So ist es nur folgerichtig, dass er auch am IFC, dem Internationalen Fundraising Kongress, teilgenommen hat. Der fand in diesem Jahr Ende Oktober in den Niederlanden statt. Seinen ganz persönlichen Erlebnisbericht, was ihn beeindruckt, amüsiert, aber auch verwundert hat, können Sie hier lesen.

Beim Shuttlebus zum Kongresszentrum in Noordwijkerhout steht schon „Hansdampf in allen Gassen“: Jan Uekermann. In der Kongress-App war mir bereits aufgefallen, dass der gute Jan gleich mit zwei Sessions beim IFC vertreten ist. Das freut mich; er hat es verdient. Selber habe ich mir diesmal die Innovation-Camp Masterclass gegönnt und bin mächtig aufgeregt. Denn ist DAS nicht ein bisschen hoch gegriffen für mich? Langer Rede kurzer Sinn: leider nein! Es war dann doch mehr eine Perlenkette erfolgreicher Kampagnen. Beispielhaft hier die ACLU (American Civil Liberties Union), deren Etat nach der Wahl Trumps schlagartig um 800 Prozent wuchs. So großartig die ACLU auch ist, war dies ihrem Fundraising zu verdanken? Ich würde eher sagen: They were old, willing and able – and had the institutional readiness.

Erfolgreiche App und harmonische Töne

Erfreulich dahingegen, dass die Oxfam-App, von der ich beim AFP 2017 gehört hatte, ein Erfolg zu sein scheint. Schließlich sprechen 20 % von Spendern selbst initiierte Dauerspenden eine deutliche Sprache. Außerdem ist so eine App so hipp: Ich würde ja mitmachen und warte dann mal auf den deutschen Launch.

Eindeutiges Highlight der Masterclass war dann jedoch die Session von Sergio Feferovich, Pianist und Dirigent aus Honduras, der anhand eines Kontrapunkts von Bach eine Spenderansprache beschreibt, wie man sie sich wünscht. Manchmal genügt eben eine kleine Anpassung der Tonalität, und schon verläuft die Kommunikation harmonisch. So klingt also eine erfolgreiche Donor Journey. Ich bin ganz Ohr.

Innovative Foto-Idee mit Wow-Moment

Am zweiten Tag der Masterclass erlebe ich dann ein tatsächlich innovatives und fulminantes Beispiel: Die Geschichte des ikonographischen Fotos von zwölf im Kreis angeordneten ertrunkenen Geflüchteten, das die EU-Flüchtlingspolitik symbolisiert und die CEAR (Comisión Espanola de Ayuda al Refugiado), die spanische Kommission zur Hilfe Geflüchteter, mit einem Paukenschlag auf die Weltkarte setzt. Banksy publiziert das Foto auf seiner Website und verleiht ihm dadurch eine enorme mediale Reichweite. Die irische Rockband U2 wiederum verwendet es sogar als Hintergrund ihrer Bühnenshow zur Tour. Ausgedacht haben sich das Foto zwei spanische Fundraiserinnen ohne jegliches Budget. Das ist der Stoff, aus dem die Träume sind – aber leider nur fast, denn so großartig die Idee auch ist, befeuert die Story ja wieder die Mär der kostenlosen Kreativität. Sei’s drum, ein Wow-Moment ist es auf jeden Fall.

Two-Pizza-Team für mehr Übersichtlichkeit

Und sonst so? Wie immer packt mich die Angst, bei der riesigen Auswahl an guten bis sehr guten Sessions die falsche Wahl zu treffen. Aber zum Glück gibt es hier meistens eine zweite Chance. Also mache ich mal was, was ich gar nicht kann: ‚Content strategy in the digital era‘ beziehungsweise eine erfolgreiche Online-Kampagne. Worauf muss man achten, wie verzahnt sich das mit den anderen Fundraising-Maßnahmen, wie misst man den Erfolg, und, und, und … Mir schlackern die Ohren:  Woran man da alles denken muss! Der Workshop dazu ist sicherlich kein Hexenwerk, aber eine sehr gut strukturierte Informationsquelle, dargebracht von der lässigen und zugleich warmherzigen Clara Avila Cantos, ihres Zeichens Digital Content Manager bei Save the Children Spain. Ihr Tipp zur Kampagnenkonzeption: ein Two-Pizza-Team, also nur so viele Leute, wie von zwei Pizzen satt werden, sonst wird’s zu unübersichtlich. Toll.

Kommunikation versus Datenschutz?

Ganz wunderbar auch der Workshop von Ilja De Coster, Director of Donor Relationship Management & Data Strategy bei DonorVoice und Datenschutzbeauftragter von Amnesty Belgien. Er sieht die EU-DSGVO als „Human Rights Legislation“, bei der die Organisationen angehalten sind, Verantwortung für ihre Spender zu übernehmen. Es gehe immer darum, Menschenrechte zu bewahren, aber eben auch um die Kommunikation. Beispiel Profiling: Darf ich Spenderdaten aufgrund ihrer Merkmale beispielsweise  für eine Upgrade-Kampagne selektieren? Natürlich, sagt Ilja, denn ich tue das ja, um sie nach einer passenden Spende zu fragen, was ja nichts Anrüchiges oder Unehrenhaftes ist. Letztendlich muss kein Spender Ja sagen, wenn er angesprochen wird. Sein Rat: Lest die Gesetzestexte und nicht nur die Interpretationen, dokumentiert eure Analysen und die Begründung eurer Handlungsweise! Mir leuchtet das ein.

Die Gala und der Morgen danach

Und dann die Gala! Ach ja, die Gala … Diesmal heißt das Motto: Disco, und obwohl das ja nun in meine Zeit fiel, habe ich keine wirklich zündende Idee für ein Kostüm. Auch gut; ich muss ja nicht immer zu den ganz schrägen Vögeln gehören. Es gibt zum Glück genügend andere, die sich auch hierbei wieder übertreffen. Golden Boy Rob Patmore etwa, um mal einen zu nennen. Ich fundraise derweil mit Birgit Donath von „Aktion Deutschland Hilft“ Weißwein-Flaschen von Tischen mit Rotwein-Trinkern, denn der Gratisausschank ist auch in diesem Jahr schneller erreicht, als einem lieb sein kann, und jeder Fundraiser weiß: Planung und Timing sind die halbe Miete.

Am Freitagmorgen blicke ich in müde, graue Gesichter mit einem Funkeln in den Augen; typisch für den Morgen nach der Gala. Ich beschließe den Kongress mit Jack Sim, aka Mr. Toilet. Jack Sim hat quasi im Alleingang mit sehr viel Witz und Herzenswärme das Thema sanitäre Hygiene von Singapur aus auf die Weltkarte gebracht und mittlerweile mit seiner World Toilet Organization Beraterstatus bei den Vereinten Nationen.

Öffentlicher Kniefall mit geteilter Begeisterung

Habe ich etwas verpasst? Ja, und dazu gleich noch einen Gänsehautmoment. Den gab es bei der Kongresseröffnung, als viele der Speaker und einige Delegierte aus Solidarität mit Colin Kaepernick und als Statement gegen Rassendiskriminierung auf der Bühne auf die Knie gingen. Der öffentliche Kniefall wurde bei der Abschlussveranstaltung noch einmal thematisiert, denn er war nicht von allen mit der gleichen Begeisterung empfangen worden. Man kann sich tatsächlich fragen, wen man denn eigentlich erreicht, wenn man ein solches Statement in einer zugangspflichtigen Veranstaltung vor lauter Gleichgesinnten äußert. Eine Außenwirkung gab es hier ja nicht.  

Schlusspunkt mit starken Emotionen

Sehr berührend ist schlussendlich beim Closing Plenary die Geschichte von Bisi Alimi, einem nigerianischen Gay-Activisten, der nach seinem Coming-Out nicht nur stundenlang gefoltert und verprügelt, sondern obendrein noch von seiner Familie verstoßen wurde. Nach Todesdrohungen floh er 2007 aus Nigeria nach London und ist mittlerweile britischer Staatsbürger. Bisi Alimi wünscht der Welt mehr ‚angelic troublemakers‘ und meint damit gewaltfreien Aktivismus auf allen Fronten, der eher bei der Kommunikation ansetzt und auf Überzeugungskraft sowie die Kraft der Liebe setzt. Das kann ich unterschreiben und freue mich schon auf nächstes Jahr.

Text und Fotos: Holger Menze

 

 

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