Tabuthema Suizid: [U25] will gefährdeten Jugendlichen helfen

Möglicherweise gerade weil laut Statistischem Bundesamt die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren leicht rückläufig sind, ist Suizid von Jugendlichen nach wie vor ein Thema mit Tabu-Charakter. Dass hier genau deshalb Hilfe nötig ist, zeigt ein besonders niederschwelliges Beratungsprojekt der Caritas Freiburg.

 

Von Rico Stehfest

Soll ein Hilfsangebot erfolgreich sein, muss es den richtigen Kanal finden, um die Angesprochenen zu erreichen. Das von der Caritas Freiburg 2002 initiierte Peer-Projekt [U25], bei dem Jugendliche Gleichaltrigen per E-Mail zur Seite stehen, die möglicherweise suizidgefährdet sind, zeigt seinen Erfolg wie auch seine Notwendigkeit auf den ersten Blick: Keiner der Standorte Berlin, Dresden, Freiburg, Gelsenkirchen und Hamburg ist momentan in der Lage, neue Anfragen entgegenzunehmen. Deshalb wird die Liste der Standorte beständig erweitert. Kommendes Jahr sollen Biberach, Dortmund, Paderborn und eventuell Frankfurt hinzukommen. Zusätzlich gibt es Berater für die Regionen Ostschweiz und Bern.

Sensible Beratung statt vorgefertigter Textbausteine

Um die hohe Nachfrage bedienen zu können, braucht es aber auch das entsprechende beratende Personal. Und für eine solch verantwortungsvolle Aufgabe bedarf es einer umfangreichen Ausbildung der Ehrenamtlichen. In diesem Fall umfasst die Vorbereitung der Peers ganze sechs Monate. Entscheidend ist schließlich auch eine grundlegende emotionale Stabilität der Berater, um sich nicht selbst in einer belastenden Situation wiederzufinden.

Wendet sich ein Jugendlicher an eine der Beratungsstellen, tut er das stets anonym. Die Erstantwort bekommt er innerhalb von zwei Werktagen, später dann innerhalb einer Woche. Trotz der Anonymität ist die nötige Authentizität auf diesem Weg gewährleistet: „Die Berater erzählen ja auch von sich. Da merkt man ganz schnell, dass da keiner sitzt, der irgendeinen Textbaustein verschickt“, erklärt Solveig Rebholz, Mitarbeiterin am Standort Freiburg. Nur zu persönlich darf und soll es eben nicht werden. „Ein Telefonat oder gar ein persönlicher Kontakt kommen nicht infrage. Die Anonymität der Beratung hat ja gerade auch den Vorteil, dass man viel offener sein kann. Um aber eben auch die Anonymität der Berater gewährleisten zu können, stellen wir manche aus unserem Team ohne Foto oder mit anderem Vornamen vor. Es geht dabei auch um den Schutz unserer Peers“, so Rebholz. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Betreuung nicht intensiv wäre. Das belegen die Zahlen des vergangenen Jahres am Standort Freiburg. Von allen Hilfesuchenden wurden 24 Prozent bis zu drei Monate lang betreut, 11 Prozent bis zu einem Jahr und ganze neun Prozent bis 18 Monate. Die Zahl einmaliger Anfragen kam dabei auf 31 Prozent. Letztere kommen natürlich nicht nur von gefährdeten Jugendlichen selbst, sondern auch von Freunden oder Verwandten, die Rat suchen.

Auffällig erscheint im gesamten Projekt, dass in jedem Fall Hilfe angeboten werden soll, auch wenn gerade keine neuen Anfragen bearbeitet werden können. So verfügen die Internetseiten auch über ein Glossar mit Stichwörtern wie Essstörungen, Mobbing oder Depression und verweisen auf andere Angebote wie www.jugendnotmail.de.

Reglos vorm Brandenburger Tor

Um die Enttabuisierung der Thematik voranzutreiben, haben sich 2015 bereits zum zweiten Mal alle Standorte zusammengetan und vor dem Brandenburger Tor eine Aktion gestartet. Am 10. September, dem Welttag der Suizidprävention, haben sich auf ein Signal hin mehrere Hundert Menschen auf den Boden gelegt, wo sie ein Minute lang reglos liegenblieben. Im Anschluss wurde jedem Einzelnen symbolisch mit einer helfenden Hand wieder auf die Füße geholfen (Foto). Umrahmt wurde die Aktion von Ständen, an denen entsprechende Aufklärungsarbeit angeboten wurde. Erklärtes Ziel der Aktion ist auch eine nationale Aufklärungskampagne zu den Themen Depression und Suizid. Angesichts der im kommenden Jahr hinzukommenden Beratungsorte ist das dringend notwendig.

Wie sinnvoll solche Hilfsangebote sind, zeigt sich auch im Kleinen: „Eine Jugendliche hatte vor einiger Zeit bei der damaligen Kids-Hotline Hilfe gesucht und gefunden. Nachdem es ihr besser ging, hat sie beschlossen, etwas von der erfahrenen Hilfe zurückzugeben. Sie ist nun Teil unseres Berater-Teams hier in Freiburg“, so Solveig Rebholz.

Die Ausbildungsphasen für Peers liegen an den einzelnen Standorten unterschiedlich. Interessenten können sich jederzeit an die entsprechenden Standorte wenden. Wer wiederum selbst Hilfe sucht, muss nicht unbedingt den nächsten Standort in seiner Nähe kontaktieren. Nur sind eben Berater in der Nähe eher dazu in der Lage, auf weitergehende Hilfsmöglichkeiten vor Ort zu verweisen.

www.u25-deutschland.de

www.600leben.de

Foto: PR

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