Marc-André Pradervand: Know-how in der Branche halten

Marc-André Pradervand ist Schweizer Fundraiser
Marc-André Pradervand ist Schweizer Fundraiser

Darum geht's: Fundraising, Nonprofit-Organisationen, Schweiz, Swissfundraising

Marc-André Pradervand, seit über 16 Jahren Fundraiser, übernahm für verschiedene Schweizer Hilfswerke wie Save the Children, World Vision, Unicef und zuletzt für Médecins Sans Frontières (MSF) leitende Positionen im Fundraising. Im Fundraiser-Magazin-Interview mit unserer Autorin Katja Prescher verrät er, was beim Aufbau erfolgreicher Fundraising-Teams wirklich zählt.

Fundraising lebt von guten Teams. Sie haben viele aufgebaut. Vor welcher größten Herausforderung stehen wir heute?

Oft haben Organisationen zu wenig erfahrene Fundraiser. Der Fundraising-Markt ist zwar am Wachsen. Er ist aber noch längst nicht gesättigt. Ich beobachte viele Quereinsteiger, nach dem Motto: Ich habe bei einer Bank gearbeitet und möchte das Fundraising mal kennenlernen. Sie arbeiten ein bis zwei Jahre in der Organisation und sind dann wieder weg. Hier verlieren wir viel Know-how.

Wie können wir Fundraising-Know-how langfristig aufbauen?

Viele lagern es an Agenturen aus. Das kann durchaus für eine Zeit lang interessant sein. Aber um sein eigenes Fundraising-Profil zu prägen, muss langfristig Fundraising-Know-how in der eigenen Organisation aufgebaut werden. Der Charakter der Organisation, ihr Profil spiegelt sich in ihren Fundraising-Aktivitäten wider. Sobald aber Agenturen für einen längeren Zeitraum Fundraising-Maßnahmen umsetzen, entsteht dieser „Einheitsbrei“, da sie für viele Organisationen ähnliche Aufträge übernehmen.

Beruf Fundraiser: Wie wirken sich Meinungen auf das Selbstbild aus?

Das Berufsbild des Fundraisers wird von der Öffentlichkeit hierzulande oft noch immer nicht verstanden. Als ich mit Fundraising anfing, sagte meine Mutter einmal: „Ach, du bist jetzt also ein moderner Bettelmönch.“ Diese öffentliche Vorstellung prägt leider auch das Bild des Fundraisers entscheidend in den Köpfen der Vorstände. Ein typischer Gedanke in der Deutschschweizer Kultur: „Nach Geld fragen? Das macht man doch nicht. Und wenn, bloß nicht zu aggressiv! Brauchen wir Fundraising wirklich? Gibt es keine anderen Finanzierungsquellen?“ Ich erlebe immer wieder Organisationen, die lieber von „sponsern“ statt von „spenden“ reden, weil sie mit dem „Spenden“ kein für sie angenehmes Bild verbinden.

Wie gelingt die Aufklärung? Fundraising ist ein spannender Beruf!

Swissfundraising, die Interessenvertretung für Fundraiser und Nonprofit-Organisationen in der Schweiz, hat viel Positives für das Berufsbild des Fundraisers ausgelöst. Sie machen es bekannt. Es ist nichts Verwerfliches und nichts Exotisches, Fundraiser zu sein, im Gegenteil – ein Beruf, den viele mit Freude und Stolz ausüben. Hier antwortet Swissfundraising auch auf die Medien, die den Beruf oft negativ darstellen. Die Aufklärung beginnt aber auch bei den Organisationen und Fundraisern selbst. Die Frage ist: Was habe ich als Fundraiser für einen Selbstwert? Bin ich stolz, Fundraiser zu sein? Stehe ich hinter dem, was ich tue?

Wie erleben Sie persönlich Ihre Berufung als Fundraiser?

Ich bin mit Leib und Seele Fundraiser. Ich sehe mich nicht als jemanden, der in erster Linie Geld sammelt, sondern der anderen hilft, glücklicher und zufriedener zu werden. Als Fundraiser spende ich auch selbst. Denn ich möchte verstehen, wie ein Spender funktioniert. Das erfahre ich in dem Moment, wo ich mich mit der Organisation und mit dem Gefühl des Spendens auseinandersetze.

Es braucht mehr als nur eine Fundraising-Ausbildung?

Ja, ein Fundraiser braucht Selbstvertrauen und die Haltung, etwas Sinnvolles voranzubringen. Und es braucht intrinsische Motivation wie die Leidenschaft für die Sache. Ein ideales Team braucht eine Mischung aus erfahrenen und neuen Fundraisern. Als ich damals neu war in der Branche, lernte ich von den Erfahrenen. Sie gaben mir ihr Know-how und ihre Freude am Fundraising weiter. Innerhalb von zwei Jahren verstand ich das Handwerk und nach fünf Jahren die Seele des Fundraisings. Heute gebe ich mein Fundraising-Wissen weiter.

Inwiefern zahlen sich Netzwerke beim Aufbau von Fundraising-Teams aus?

Berufsnetzwerke wie die Schweizer ERFA-Gruppen oder Events von Swissfundraising https://swissfundraising.org/ sind hilfreich, um sich mit anderen Fundraisern auszutauschen. Aber auch, um gute Fundraiser zu identifizieren und zu erfahren, wer auf Stellensuche ist. Die Fundraising-Szene in der Schweiz ist relativ klein, umso wichtiger sind die Netzwerke.

Das sind klar zu erkennende Netzwerke. Welche Erfahrungen machen Sie mit geschlossenen Netzwerken?

Geschlossene Netzwerke sind ebenfalls sehr wichtig, denn diese bauen auf einer Vertrauensbasis auf. In diesen informellen Netzwerken tauscht man sich zum Beispiel über aktuelle Herausforderungen oder Problemstellungen aus und bekommt ehrliche Antworten.

Was bringt der Austausch, wenn doch so einige davor Respekt haben, Geschäftsgeheimnisse preiszugeben?

Die Kolleginnen und Kollegen nehmen sich nicht als Konkurrenten wahr, sondern wünschen sich einen ehrlichen Austausch unter erfahrenen Fundraisern. Wir lernen voneinander und diskutieren darüber, wie wir beispielsweise gemeinsam Dienstleistungen beziehen können, um Kosten zu sparen.

Genügen Netzwerkaktivitäten? Worauf kommt es noch an?

Nein, sie genügen nicht. Netzwerken ist aber ein wichtiger Aspekt beim Aufbau von guten Fundraising-Teams. Die Rolle des Netzwerkens ist langfristig wichtig. Eine Vertrauensbeziehung entsteht über mehrere Jahre.
Es gibt für den Aufbau von guten Fundraising-Teams keine allgemein gültige Formel. Meine persönlichen Erfahrungen sind: Ich habe mein Wissen weitergegeben, habe mich praktisch in andere investiert. Das kommt heute zurück – nicht nur auf mich, auch auf die Kollegen. Gute Kandidaten melden sich. Ich kann sie einstellen oder weiterempfehlen. Spannend finde ich zu beobachten, dass viele meiner ehemaligen Mitarbeiter und Fachspezialisten heute anspruchsvolle Leitungspositionen im Fundraising übernommen haben.

Welche Herausforderungen haben wir zu meistern? Welche Veränderungen muss es geben?

Das Wichtigste: Wir müssen sicherstellen, dass uns die Fundraiser erhalten bleiben und das Know-how bei uns in der Branche bleibt. In einen Teufelskreislauf kommen wir dann, wenn wir kurzfristig Kosten senken oder sparen wollen, indem wir befristet Freiwillige, Studenten oder Praktikanten einstellen. Langfristig wird dies zu teuer für uns. Viel zu viel Know-how geht verloren. Hier braucht es ein Umdenken. Es fängt auf Führungsebene an. Es gibt gute Fundraiser, die aber noch nicht automatisch gute Führungsqualitäten haben. Es ist unsere Aufgabe, die Mitarbeiter an die Hand zu nehmen, sie zu begleiten, bis sie Führungsaufgaben übernehmen können. Fundraising Management Development ist hier ein ganz wichtiges Stichwort.“

Interview: Katja Prescher
Foto: www.freshpixel.ch/Manuel Fischer

Das Interview ist in der Ausgabe 3/2017 des Fundraiser-Magazins erschienen.

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